Derzeit werden 305 Insassen im elektronisch überwachten Hausarrest überwacht.

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Einer der Attentäter von Saint-Étienne-du-Rouvray wurde wegen Extremismusverdachts überwacht und beging die Tat mit einer Fußfessel am Gelenk. Fragen und Antworten zu der Sanktionsmethode in Österreich

Frage: Seit wann ist die elektronische Fußfessel in Österreich im Einsatz?

Antwort: Zwei bedingt entlassenen Häftlingen der Justizanstalt Garsten wurden am 19. Jänner 2006 erstmals elektronische Fußfesseln angelegt. Nach technischen Problemen weitete das Justizministerium den Pilotversuch im Jänner 2008 auf Anstalten in Wien und Graz aus. Seit dem Übergang in den Regelbetrieb am 1. September 2010 kann die Fußfessel auch die U-Haft ersetzen. 2013 verschärfte der Nationalrat die Vergaberegelung für Sexualstraftäter. Ende 2015 stieß die damalige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) eine Debatte über eine neuerliche Ausweitung für den Einsatz bei potenziellen Jihadisten an.

Frage: Wer setzt die Methode technisch um?

Antwort: Eine Ausschreibung bereits vor dem Gesetzesbeschluss im Jahr 2010 gewann mit der Sicherheitsfirma 3M der teuerste Anbieter. Entgegen dem Vorschlag der Bundesbeschaffung GmbH wurden nur drei statt fünf Bewerber zugelassen, was der Rechnungshof zwei Jahre später scharf kritisierte. 3M erhielt 2,7 Millionen Euro für die ersten drei Jahre des Regelbetriebs. Im August läuft der verlängerte Vertrag mit 3M aus, ein neuer soll unbefristet vergeben werden. Laut Ausschreibung ist die lückenlose GPS-Überwachung künftig verpflichtend.

Frage: Wer kann eine Fußfessel bekommen?

Antwort: Für den elektronisch überwachten Hausarrest kommen prinzipiell alle Personen infrage, die "ausreichend sozial integriert sind" und deren Reststrafe zwölf Monate nicht übersteigt. Der Häftling muss die Fußfessel beantragen. Die Entscheidung, ob jemand eine Fußfessel bekommt, trifft die Justizanstalt. Sie prüft, ob eine passende Beschäftigung – also ein Job, eine Ausbildung oder Ähnliches – und Unterkunft im Inland vorliegen. Außerdem muss das Einkommen zum Bestreiten des Lebensunterhalts reichen und der Häftling versichert sein. Lebt eine weitere Person im Haushalt, muss diese dem Hausarrest zustimmen. Die Fußfessel kann entweder die ganze oder nur einen Teil der Haftstrafe ersetzen.

Frage: Wie viele Verurteilte tragen heute eine Fußfessel?

Antwort: Derzeit werden 305 Insassen im elektronisch überwachten Hausarrest angehalten, davon sind 43 Frauen. Prominente Fälle sind Ex-Innenminister Ernst Strasser (Bestechlichkeit), Ex-Sturm-Graz-Präsident Hannes Kartnig (Betrug, grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen, Steuerhinterziehung; ihm wurde die Fußfessel im Oktober 2014 wieder entzogen), die Hauptschuldige im Salzburger Finanzskandal, Monika Rathgeber (Betrug, Urkundenfälschung), und Ex-Telekom-Manager Rudolf Fischer (illegale Parteienfinanzierung).

Frage: Wie funktioniert der elektronische Hausarrest?

Antwort: Ist die Fußfessel genehmigt, wird im Haushalt des Häftlings eine Basisstation eingerichtet. Diese übermittelt die Funksignale des elektronischen Senders, der am Knöchel der überwachten Person angebracht ist. Dadurch wird zwar die An- und Abwesenheit in der Unterkunft kontrolliert, nicht aber, wo sich die Person befindet, wenn sie nicht in der Wohnung ist, und was sie dort tut. Eine permanente Überwachung, die – mit Einschränkungen – nur mittels GPS-Technik möglich wäre, findet grundsätzlich nicht statt. Nur in wenigen Ausnahmefällen werden einzelne Häftlinge geortet. Die Zeiten der An- und Abwesenheit werden für jede Woche vorgeplant und in der Überwachungszentrale erfasst. Ist ein Gefangener nicht rechtzeitig in der Wohnung an- oder abwesend, erfolgt ein Alarm in der Überwachungszentrale. Die Überwachungszentrale kann bei einem Teil der Insassen auch den Alkoholgehalt der Atemluft messen. Die Basisstation ist also auch ein Alkomat.

Frage: Woran muss sich ein Häftling mit Fußfessel halten?

Antwort: Die überwachte Person muss sich während der Haft in ihrem Haushalt aufhalten. Sie darf nur für bestimmte Zwecke wie eine Erwerbstätigkeit oder Erziehungspflichten und innerhalb einer vorgegebenen Zeit verlassen werden. Auch am Wochenende darf die Person die Wohnung für einige Stunden verlassen. Arztbesuche werden durch eine Zeitbestätigung kontrolliert. Zudem können Kontaktsperren oder das Verbot bestehen, sich an bestimmten Orten aufzuhalten. Im Hausarrest muss der Gefangene jederzeit erreichbar sein und regelmäßig Kontakt zum Bewährungshelfer halten. Für die Kosten von 22 Euro pro Tag müssen die Häftlinge, sofern sie es finanziell schaffen, selbst aufkommen.

Frage: Ist es möglich, die Fußfessel zu umgehen, zu manipulieren oder abzumontieren?

Antwort: Manipulationen an der Fußfessel oder der Basisstation führen zu Fehlermeldungen in der Überwachungszentrale. Der Insasse wird dann sofort telefonisch kontaktiert.

Frage: Aus welchen Gründen kann die Justizanstalt die Fußfessel entziehen?

Antwort: Ein Gefangener kann zurück ins Gefängnis geschickt werden, wenn eine der Voraussetzungen für die Fußfessel wegfällt; etwa wenn der Häftling seinen Job verliert, aber auch, wenn die auferlegten Bedingungen in "schwerwiegender Weise trotz einer förmlichen Mahnung" nicht eingehalten werden oder der Häftling im Hausarrest eine gerichtliche strafbare Handlung begeht. (Oona Kroisleitner, Michael Matzenberger, 27.7.2016)